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18.11.2002
Gehirn verschollen


Aktuelle Top-Meldung von ARD-Videotext, Spiegel online und anderen Medien: Gehirne verschollen. Wohlgemerkt Gehirne von Menschen, die seit einem Vierteljahrhundert tot sind. Man sollte sich mehr Gedanken darüber machen, ob bei den Lebenden noch alles vorhanden ist. Zumindest ein funktionierendes Gedächtnis, scheint bei einigen Branchengrößen auf der Vermisstenmeldung zu stehen.

Kommentar Karl Born:
Im Prinzip erwähnt man es eigentlich ungern, dass man auf ein Problem früher als andere aufmerksam gemacht hat (es genügt, dass es so war). Es gilt als unhöflich darauf aufmerksam zu machen, dass einige Manager etwas länger brauchen um zu erkennen, dass sie sich bewegen müssen. Dass diese Spätaufsteher dann noch aus der Rede der Frühaufsteher zitieren (aber die Quellenangabe vergessen), so ist manchmal das Leben. Wenn sie dann aber noch die Chuzpe haben in diesem Zusammenhang Unwahrheiten zu verbreiten, dann ist irgendwo Ende der Toleranz angesagt.
Wer in der jüngeren Vergangenheit darauf aufmerksam machte, dass die aktuelle Regelung zum Reiserücktritt nicht mehr zeitgemäß sei und dringend einer Reform bedürfe, wurde bislang beschimpft. Dabei war der Handlungsbedarf offensichtlich. Man kann nicht einerseits von modernem Customer Relationship Management reden und an einer antiquierten Zwangskundenbindung festhalten. Zu keinem Zeitpunkt war angedacht, dass dies das Ende der Reiserücktrittkostenversicherung sein müsste, ebenso wenig war dabei vergessen worden, dass die Stornierungsgebühren eine wesentliche Ertragsposition der Veranstalter sind. Aber nur eine Mischung aus Versicherung, Reisegutschein und anderen Maßnahmen kann zukunftsfähig sein, insbesondere wenn man die potenziellen Kunden nicht noch mehr in Richtung spätbuchen abgleiten lassen will.
Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, beginnen auch erste Versicherungsmanager über Modifizierungen nachzudenken. Normalerweise wäre dies eine gute Gelegenheit sich mit jenen, die sich über eine denkbare Neuregelung schon Gedanken gemacht haben, an einen Tisch zu setzen. Eine Verbesserung des Status quo ist dringender geboten, als dies die meisten Branchenverantwortlichen glauben.
Die Art und Weise des Vorgehens lässt diesen Gedanken sofort wieder in Vergessenheit geraten. Da gibt ein Top-Versicherungsmanager ein Interview und spricht vom „Szenario B“, wie Bomben auf Bagdad und Blutbad. Und stellt in diesem Zusammenhang fest, wie „unprofessionell“ die Reisebranche sei. Da darf man gespannt sein, ob dies dem DRV-Vorsitzenden ein Kommentar wert sein wird oder ob er darüber genauso kommentarlos hinweg gehen wird, wie über den Anti-Reise-Artikel in der Illustrierten Stern, unmittelbar vor der DRV-Tagung, in dem der Branche „ziemlich kräftig in die Fresse“ geschlagen wurde. Aber der „Branchenfeind“ wurde an anderer Stelle ausgemacht.
Ungefähr in die gleiche Richtung meint besagter Versicherungsmanager nachlegen zu müssen, wenn er den „Ex-TUI-Vorstand Born“ mit der Aussage belegt „er habe die Menschen in einem Focus-Interview aufgefordert, nicht zu reisen“. Dieses Zitat ist eine so offensichtliche Unwahrheit, dass der Versicherungsvertreter, entweder bösartig ist oder eklatante Leseschwierigkeiten hat. Man kann es aber nicht darauf beruhen lassen, weil das vom DRV-Präsidenten ebenso frei erfundene Zitat vom „Hochsicherheitstrakt“ leider völlig ungeprüft weiter verbreitet wird.
Umgekehrt hat der gerne voraus- aber leider nicht nachdenkende Versicherungsmanager kein Problem, die Autoindustrie mit einem Beispiel zu zitieren, das er von besagtem Ex-TUI-Manager bei dessen Rede im September in Wiesbaden gehört hat. Richtig so, wenn man schon zu spät kommt, muss man es nicht auch noch erwähnen.
Ganz gleich wer sich jetzt auch noch an der Eiche wetzen möchte, erfreulich ist, dass die Branche sich langsam in die richtige Richtung bewegt. Studiosus war der erste Veranstalter, der offensiv das Thema Sicherheit aufgriff. Die TUI hat auf der Pressekonferenz in Ägypten zu erkennen gegeben, dass auch dort das Thema positiv angegangen wird. Erfahrungen wie man mit kritischen Themen sehr offensiv umgehen kann, gibt es schließlich aus der Vergangenheit genügend: Das branchenexistenzielle Thema Umwelt und der positive Ansatz Umweltbeauftragter, die sog. „Weiße Liste“ als Vertrauensbeweis nach dem Birgenair-Absturz, der offensive Umgang mit dem Branchenproblem Beschwerden und nicht zuletzt das Thema Geld-zurück-Garantie, als Kollegen und Wettbewerber das Ende der Tourismusbranche weissagten.
So wird sich auch für das Thema Stornierungsgebühren hoffentlich bald eine zukunftsfähige Lösung finden.
Gerade wer den Tourismus (und sogar die Branche) liebt, wird leichter die notwendigen Veränderungen erkennen können.



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