BBB-Newsletter: jede Woche "Bissiges" per email (Info)

Zur Anmeldung

Borns "bissige" Bemerkungen ist die montägliche Kolumne rund um das aktuelle Geschehen in der Welt, speziell in der Tourismuswirtschaft. BBB erscheint seit März 2001 jeden Montag auf diesen Webseiten und als kostenloser email-Newsletter. Im Archiv finden Sie 300 weitere Kommentare zu den verschiedensten Themen und Anlässen.

[ Archiv ] - [ Suche ] - [ aktuelle BBB ] - [ Ihr Thema ] - [ XML ]

Bücher von oder mit Beiträgen von Karl Born: Abschied von der Spassgesellschaft | Der integrierte Touristikkonzern | Kundenorientierung im Touristikmanagement | Kundenmanagement als Erfolgsfaktor


25.03.2002 - And The Oscar Goes To Pichler


Die Filmfreunde erkennt man heute morgen an den rotgeränderten Augen, weil sie vergangene Nacht die Übertragung der Oscar-Verleihung live gesehen haben.
Die Focus-Leser erkannte man auf der ITB daran, dass sie entweder strahlten wie eine frisch gebohnerte Treppe oder vor Ärger Pickel im Gesicht hatten.
Und wer auf der ITB betont gelangweilt dreinschaute, war bestimmt Gast der Eröffnungsveranstaltung gewesen.
Könnte man nicht aus dem zusammen eine prickelnde Veranstaltung machen?
Die Verleihung des Touristik-Oscars als Highlight am Vorabend der ITB.

Kommentar Karl Born:
Es war wie immer. Keiner hält die „blöde“ Focus-Liste der Top-Reisemacher für wichtig, aber alle reden darüber. Die einen, die „winners“, lächeln leicht verschämt vor sich hin mit der Bemerkung „ist ja nicht so wichtig“. Die anderen, die „loosers“, sagen überraschender Weise fast den gleichen Satz „ist ja nicht wichtig“, nur mit anderer Betonung.
Dabei kann fast keiner der Genannten richtig sauer sein. Erstens, man ist drin. Das ist ja wohl das Wichtigste. Zweitens, das „wie“ ist sekundär. Dass Ralf Corsten vom letztjährigen Spitzenplatz zur Fußnote von Frenzel heruntergestuft wurde, wird ihn wenig kümmern. Er lebt in Frankreich und welch „heiße Feger“ es bei Nouvelles Frontiers gibt, wissen wir spätestens, seit wir Houllebecqs Plattform gelesen haben. Selbst Heiner Berninger, Herausgeber des Touristik Reports, wird sich nicht grämen, immerhin erreicht er mit vier „Erwähnungen“ einen Spitzenplatz. Auch LH-Boss Weber kann die Rückstufung leicht verkraften, denn die wahre Auszeichnung für ihn versteckt sich an anderer Stelle. Zwei der drei Aufsteiger aus der 2. Reihe (die Bezeichnung Nachwuchsstars verbietet sich hier wohl) entstammen bester LH-Schule. Frenzel wird eines noch viel mehr geärgert haben, als seine Rückstufung um einen Platz. Da hat er Millionen für das neue Preussag-Image ausgegeben, selbst unter Einsatz seines eigenen Konterfeis, und da „knallt ihm dieser Focus-Mensch“ das alte Preussag-Stahl-Signet unter das Bild. Wow!
Die Mittelplätze der Rangliste sind von Kögel, Öger, Verhuven und Kastner, den „üblichen Verdächtigen“ wenn es ums Strippenziehen geht, belegt, die auch gut damit leben können. Und selbst Volker Böttcher wird, wenn man die Focus-Sprache in die Oscar-Sprache übersetzt, den Oscar für den besten Nebendarsteller gerne entgegennehmen. Für einen Newcomer eine stolze Leistung. Nur einer blickte etwas zurückhaltend in die Landschaft. Der überraschend mit Platz 1 gekrönte Pichler weiß, dass besser als der eigene AR-Chef eingeschätzt zu werden, sich „lebensgefährlich“ auswirken kann.
Soweit so gut und schon vergessen. Die Tourismus-Branche müsste das ganze selbst in die Hand nehmen und richtig professionell aufziehen, analog zur Oscar-Verleihung. Trotz Internet und TV, die Filmbranche ist in aller Munde und die Oscar-Verleihung ist unverändert eines der weltweit größten Medienereignisse.
Was brauchen wir? Einen fixen Verleihungstermin, das kann nur der Vorabend der ITB sein und damit steht auch Berlin als Ort fest. Das geeignete Hotel zu finden, ist kein Problem. Dann brauchen wir einen schönen roten Teppich, für das „walk-in“. Um dieses ordentlich zu zelebrieren, fehlt der Branche allerdings noch einiges: Sie hat keine Touristik-Luder, keine Skandale (zumindest keine szenischen) und für die Vielzahl von McKinsey-Klone stellt sich kein Zuschauer an. Selbst die Branchen-PR-Leute sind etwas „luschig“ gegenüber früher und gegenüber anderen Branchen sowieso. Hier besteht also der größte Handlungsbedarf, der nur mit einer grundsätzlich anderen Einstellungspolitik behoben werden kann.
Die Jury muss ausgewogen besetzt werden mit den Touristikexperten(-innen) der großen Wochenmagazine Spiegel und Focus und der überregionalen Zeitungen wie SZ, FAZ und Welt. Auf keinen Fall darf die taz fehlen, weil sie es so schön niederschreiben wird. Hinzu kommen Vertreter der großen Fachzeitschriften wie fvw und Touristik Report, und der kleineren wie touristik aktuell, touristik management und andere. Travel talk muss auch dabei sein, damit wir am anderen Tag lesen können, was so in den Hotelzimmer passierte. Natürlich sind jetzt einige Experten sauer, in welchem Umfeld sie erwähnt werden, aber im Sinne der großen Sache kann auf solche persönlichen Befindlichkeiten keine Rücksicht genommen werden. Natürlich gehören in die Jury noch mindestens zwei Professoren, um der Sache einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Zuletzt fügen wir noch ein paar Ahnungslose dazu, also Analysten. Was wir nicht brauchen sind Kunden. Die würden dann zu sehr im Mittelpunkt stehen, das tun sie z.Z. sonst auch nicht. Herrn Eichel könnten wir stattdessen noch in die Jury setzen und natürlich einen Unternehmensberater. Von welcher Firma dieser kommt, spielt keine Rolle, da bekanntermaßen alle Berater gleichzeitig bei allen Firmen sind.
Als nächstes benötigen wir einen eloquenten Host (Gastgeber) der mit Charme, Witz und notfalls bissigen Bemerkungen durch das Programm führt. Da die Idealbesetzung hierfür allgemein bekannt ist, können wir uns jetzt den einzelnen Kategorien zuwenden. Am aufregendsten sind natürlich die Entscheidungen zum besten Hauptdarsteller bzw. Hauptdarstellerin. Während für erstes die bekannten Branchenlöwen in Frage kommen, fällt auf, dass für die Hauptdarstellerinnen in dieser Branche wenig Namen gehandelt werden (auch die Focus-Liste zeigt hier einen unverzeihlichen Mangel). Hier wäre natürlich zuerst die DZT-Chefin Ursula Schörcher zu nennen, die natürlich mit einem entsprechenden Auftritt und Outfit (à la Madonna), für einen Paukenschlag sorgen müsste. Da an den Hochschulen zur Zeit fast 90% der Tourismus Studierenden junge Damen sind, wird es auf den Chefetagen demnächst ohnehin einige Veränderungen geben.
Angesichts der zur Zeit dominanten Touristik-Chefs dürfte der größte Andrang bei der Entscheidung für die besten Nebenrollen herrschen. Um die beste Regie streiten sich die AR- Chefs und der Preis für den besten Schnitt bekommt die Firma mit dem besten Ergebnis. Die Reihe lässt sich sicherlich erweitern. Jedes Jahr wird dann noch der „Touristik-Oscar für das Lebenswerk“ verliehen, eine nicht so sehr geliebte Auszeichnung, weil sie immer ein Zeichen dafür ist „das war`s“. Erster Anwärter wäre Friedel Neuber, ein bisschen „Pate“ gehört schließlich auch dazu. Einen Sonder-Oscar könnte man Charles Gurassa verleihen für seine Verdienste um die deutsch-englische Freundschaft.
Höhepunkte jeder Oscar-Verleihung sind die Dankesreden. Das wäre in unserem Fall nicht anders. Schließlich hat der Forscher Levicky vor wenigen Tagen in der Zeitschrift „Psychologie heute“ dargelegt, warum auf den Führungsetagen der Wirtschaft viele „gestörte“ Persönlichkeiten zu finden seien. Ursache seien dominante Mütter. Das muss ein Spass sein, wenn die Top- Manager ihre Dankesrede halten und ihren dominanten Mütter in der ersten Reihe dabei in die Augen sehen müssen. Einer der Manager, der aufgrund der aktuellen Entwicklung wohl nicht mehr als Preisträger in Frage kommt, sehe ich direkt vor mir, wie er bei der Dankesrede in seine Hosentasche greift, einen Zettel hervorzieht, „Danke“ abliest und den Zettel wieder einsteckt (übrigens bedankte sich vor kurzem auch Michael Jackson so, als er einen der unzähligen Lebens-Awards erhielt, allerdings standen bei ihm drei Worte auf dem Zettel).
Wer denkt, das sei alles unrealistisch, möge sich den sensationellen Erfolg vor Augen halten, den Karlheinz Kögel jährlich mit seinem Deutschen Medienpreis erzielt. Da Kögel inzwischen die Großen dieser Welt schon geehrt hat (und fast keiner mehr fehlt) , könnte man ihn alternativ bitten, seinen Medienpreis in den deutschen Touristik-Oscar umzuwandeln. Dann wäre auf jeden Fall professionelles Handling gewährleistet.
Zum Schluß noch einen Trost an alle hervorragenden Touristiker beiderlei Geschlechts, die in diesem Bericht nicht namentlich erwähnt wurden. Richard Burton, Greta Garbo, Charlie Chaplin, Alfred Hitchcock, Marilyn Monroe, Cary Grant u.a. haben nie einen Oscar bekommen und waren trotzdem begnadete Könner.
Zu allerletzt noch ein Oscar-Vorkommnis, von dem Spötter meinen, dass es zum Branchen running gag werden könnte. Als 1974 der Präsentator David Niven zum Mikrofon ging, lief hinter ihm ein nackter Mann, ein sogenannter Flitzer, auf die Bühne. Niven drehte sich herum, musterte kurz den splitternackten Mann und sagte spöttisch in das Mikrofon: „Ist es nicht faszinierend, dass der einzige Lacher, den dieser Mann ernten wird, daher rührt, dass er sich auszieht und aller Welt seine Mängel zeigt?“



SUCHE